Voraussetzung für eine Nachlasspflegschaft
- Mit dem Tode einer Person geht deren Vermögen als Ganzes auf eine oder mehrere Personen über, § 1922 Abs.1 BGB. Es ist nicht die Aufgabe des Nachlassgerichts, stets Fürsorgemaßnahmen für das Vermögen des Erblassers zu ergreifen. Dies ist vielmehr die Angelegenheit der gemäß § 1922 ff. BGB berufenen Erben. Sind diese unbekannt und ist der Nachlass fürsorgebedürftig, so stellt die Anordnung einer Nachlasspflegschaft eine von mehreren möglichen Fürsorgemaßnahmen des Nachlassgerichts anlässlich eines Erbfalles dar, § 1960 BGB. Sie ist das wichtigste und umfassendste Mittel des Nachlassgerichts zum Schutze eines fürsorgebedürftigen Nachlasses.
- Der Nachlasspfleger wird zum Pfleger für „denjenigen, der Erbe wird‟ bestellt. Der Nachlasspfleger ist – anders als der Testamentsvollstrecker und der Nachlassverwalter – nicht Partei kraft Amtes.1 Der Nachlasspfleger ist der gesetzliche Vertreter der unbekannten Erben.2 Es soll sich deshalb nach überwiegender Ansicht um eine Personalpflegschaft für die noch nicht feststehenden, weil unbekannten Erben handeln. Diese Einordnung der Rechtsnatur ist nicht unumstritten.3 Der Wirkungskreis des Nachlasspflegers umfasst, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie die Ermittlung der Erben.4
- Gerade die ältere Literatur ordnet die Nachlasspflegschaft ihrem Wesen nach mehr der Vermögenspflegschaft zu.5 Hierfür spricht Gewichtiges. Die Tätigkeit des Nachlasspflegers ist nicht auf das persönliche Wohl des unbekannten Erben gerichtet, sondern vielmehr auf die Sicherung, Erhaltung und Verwaltung des Nachlasses zugunsten des Erben, der erst noch festzustellen ist.
(1) RGZ 135,305; BGH NJW 1989,2133
(2) RGZ 106, 46; RGZ 135, 305; BGHZ 49, 1 = NJW 1968, 353; BGHZ 94, 312 = NJW 1985, 2596
(3) vgl. Staudinger/Marotzke, 1960 BGB, Rn. 23 m.w.N.
(4) Zeitgenössische Literatur über die Geschäftsführung des Nachlasspflegers existierte lange Zeit kaum. Eine kurze Darstellung enthielt Möhring, Vermögensverwaltung in Vormundschafts- und Nachlasssachen, S. 113 (bis zur 7. Auflage); ausführliche Darstellungen finden sich in der Nachkriegszeit bei Haegele, Nachlasspflegschaft und Nachlassverwaltung, 1955, bei E. Schmidt, Die Geschäftsführung des Nachlasspflegers und Nachlassverwalters, 1956-58; Jochum/Pohl, Pflegschaft, 1989, und zuletzt Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, 2001. Ziegltrum, Sicherungs- und Prozesspflegschaft, stellt die Geschäftsführung des Nachlasspflegers, S. 135 ff., dar. Eine instruktive Darstellung aus der Sicht des Nachlassgerichts enthält Firsching/Graf, Nachlassrecht, Rn. 4.543 ff.
(5) Staudinger/Marotzke, a.a.O.
Quelle: Jochum/Pohl: Nachlasspflegschaft, 4. Aufl., Köln 2009, Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Bundesanzeiger Verlags